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Neurodermitis

Neurodermitis - was kann man tun

Was ist Neurodermitis?

Neurodermitis, medizinisch korrekt als atopische Dermatitis oder atopisches Ekzem bezeichnet, ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die zu den häufigsten dermatologischen Leiden zählt. Der umgangssprachliche Begriff “Neurodermitis” stammt aus einer Zeit, als man fälschlicherweise annahm, dass die Erkrankung hauptsächlich durch nervöse Anspannung verursacht wird – heute wissen wir, dass dies nicht der Fall ist.

Um die Erkrankung vollständig zu verstehen, müssen wir zunächst den Begriff “atopisch” erklären. Atopie beschreibt eine genetische Veranlagung zur Entwicklung von Allergien und bestimmten Hautreaktionen. Menschen mit atopischer Dermatitis haben oft eine familiäre Vorgeschichte von Asthma, Heuschnupfen oder anderen allergischen Erkrankungen – ein Phänomen, das Mediziner als “atopische Trias” bezeichnen.

Die Pathophysiologie: Was passiert in der Haut?

Die atopische Dermatitis entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die wir Schritt für Schritt betrachten wollen:

1. Die gestörte Hautbarriere

Die gesunde Haut fungiert als natürliche Barriere zwischen unserem Körper und der Umwelt. Diese Barriere besteht aus der Stratum corneum (Hornschicht), die wie eine Ziegelmauer aufgebaut ist: Die “Ziegel” sind abgestorbene Hautzellen (Korneozyten), und der “Mörtel” besteht aus Lipiden (Fetten) und Proteinen.

Bei Menschen mit atopischer Dermatitis ist diese Barriere gestört. Ein Schlüsselfaktor ist oft ein Defekt im Filaggrin-Gen. Filaggrin ist ein Protein, das für die Bildung und Stabilisierung der Hautbarriere essentiell ist. Wenn dieses Protein fehlt oder defekt ist, wird die Haut durchlässiger – Mediziner sprechen von einer erhöhten transepidermalen Wasserverlustrate (TEWL). Die Haut verliert mehr Feuchtigkeit und kann gleichzeitig schädliche Substanzen und Allergene leichter eindringen lassen.

2. Die Immunreaktion

Das Immunsystem spielt eine zentrale Rolle bei der atopischen Dermatitis. Die gestörte Hautbarriere ermöglicht es Allergenen, Bakterien und anderen Reizstoffen, tiefer in die Haut einzudringen. Dies aktiviert das adaptive Immunsystem, insbesondere die T-Helferzellen.

Bei der atopischen Dermatitis dominieren zunächst Th2-Zellen (T-Helferzellen Typ 2), die Interleukin-4 (IL-4) und Interleukin-13 (IL-13) freisetzen. Diese Botenstoffe (Zytokine) verstärken die Entzündungsreaktion und fördern die Produktion von Immunglobulin E (IgE) – Antikörpern, die bei allergischen Reaktionen eine wichtige Rolle spielen.

In chronischen Stadien kommen auch Th1- und Th17-Zellen hinzu, die andere Entzündungsmediatoren wie Interferon-gamma und Interleukin-17 produzieren. Diese komplexe Immunreaktion führt zu den charakteristischen Entzündungszeichen der Haut.

3. Die Rolle der Mikrobiota

Die Haut beherbergt normalerweise eine vielfältige Gemeinschaft von Mikroorganismen, die Hautmikrobiota genannt wird. Bei Menschen mit atopischer Dermatitis ist diese Mikrobiota oft gestört – ein Zustand, den wir als Dysbiose bezeichnen.

Besonders problematisch ist die Überwucherung mit Staphylococcus aureus, einem Bakterium, das bei bis zu 90% der Patienten mit atopischer Dermatitis nachweisbar ist. Diese Bakterien produzieren Superantigene und Toxine, die die Entzündungsreaktion verstärken und zur Verschlechterung der Symptome beitragen.

Klinische Manifestationen: Wie zeigt sich die Erkrankung?

Die atopische Dermatitis ist eine Erkrankung, die sich in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich manifestiert:

Säuglingsalter (0-2 Jahre)

In dieser Phase spricht man vom infantilen Ekzem. Die Hautveränderungen zeigen sich typischerweise als akute Ekzeme mit Rötung (Erythem), Bläschenbildung (Vesikel) und Nässen. Bevorzugt betroffen sind das Gesicht, besonders die Wangen, sowie die Streckseiten der Extremitäten.

Kindesalter (2-12 Jahre)

Das juvenile Ekzem zeigt sich oft als chronisches Ekzem mit Lichenifikation (Verdickung und Vergröberung der Haut durch chronisches Kratzen) und Papeln (kleine, erhabene Hautknötchen). Typische Lokalisationen sind die Beugeseiten der Gelenke (Flexoren), insbesondere Ellenbeugen und Kniekehlen.

Erwachsenenalter

Das adulte Ekzem kann verschiedene Formen annehmen, von lokalisierten Herden bis hin zu generalisierten Hautveränderungen. Häufig sind Gesicht, Hals, Handrücken und Fußrücken betroffen.

Diagnostik: Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Diagnose der atopischen Dermatitis erfolgt klinisch anhand etablierter Kriterien. Die Hanifin-Rajka-Kriterien sind dabei der internationale Standard:

Hauptkriterien

  • Pruritus (Juckreiz) – das Leitsymptom der Erkrankung
  • Typische Morphologie und Lokalisation der Hautveränderungen
  • Chronisch-rezidivierender Verlauf
  • Persönliche oder familiäre Atopie-Anamnese

Nebenkriterien

Dazu gehören unter anderem eine Xerosis (trockene Haut), eine Cheilitis (Lippenentzündung), periorale Blässe (Blässe um den Mund), Dennie-Morgan-Falten (doppelte Lidfalte) und eine Hyperlinearität der Handflächen und Fußsohlen.

Zusätzlich können Allergietests wie der Prick-Test oder RAST (Radioallergosorbent-Test) zur Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper hilfreich sein, insbesondere zur Identifikation von Triggerfaktoren.

Triggerfaktoren: Was verschlechtert die Erkrankung?

Das Verständnis der Triggerfaktoren ist für die Therapie essentiell:

Umweltfaktoren

  • Aeroallergene wie Hausstaubmilben, Pollen, Tierhaare
  • Irritantien wie Seifen, Waschmittel, Wolle
  • Klimatische Faktoren wie niedrige Luftfeuchtigkeit, extreme Temperaturen

Nahrungsmittelallergene

Besonders bei Säuglingen und Kleinkindern können Nahrungsmittelallergene wie Kuhmilch, Hühnerei, Soja oder Nüsse eine Rolle spielen.

Infekte und Stress

Bakterielle Superinfektionen, virale Infekte und psychischer Stress können zu Krankheitsschüben führen oder diese verstärken.

Therapeutische Ansätze: Wie wird behandelt?

Die Behandlung der atopischen Dermatitis folgt einem Stufenschema und umfasst verschiedene Therapieansätze:

Basistherapie

Die Basistherapie mit rückfettenden, feuchtigkeitsspendenden Emollentien ist die Grundlage jeder Behandlung. Diese Präparate unterstützen die gestörte Hautbarriere und sollten täglich angewendet werden, auch in symptomfreien Phasen.

Topische Therapie

Topische Glukokortikosteroide (umgangssprachlich “Kortisonsalben”) sind die wichtigsten antiinflammatorischen Medikamente. Sie werden nach ihrer Wirkstärke in vier Klassen eingeteilt, von schwach (Klasse I) bis sehr stark (Klasse IV).

Calcineurin-Inhibitoren wie Tacrolimus und Pimecrolimus sind eine Alternative zu Steroiden, besonders für sensible Hautregionen wie das Gesicht.

Systemische Therapie

In schweren Fällen können systemische Immunsuppressiva wie Cyclosporin A, Methotrexat oder Azathioprin eingesetzt werden.

Eine moderne Therapieoption sind Biologika wie Dupilumab, ein monoklonaler Antikörper, der gezielt die Interleukin-4- und -13-Signalwege blockiert.

Neue Therapieansätze

JAK-Inhibitoren (Januskinase-Inhibitoren) wie Baricitinib oder Upadacitinib stellen eine vielversprechende neue Therapieoption dar, da sie mehrere Entzündungswege gleichzeitig blockieren können.

Prognose und Langzeitverlauf

Die atopische Dermatitis zeigt einen sehr variablen Verlauf. Etwa 60% der Kinder erfahren bis zum Erwachsenenalter eine deutliche Besserung oder sogar ein vollständiges Abheilen der Hautveränderungen. Bei etwa 40% persistiert die Erkrankung oder manifestiert sich erst im Erwachsenenalter.

Wichtig ist zu verstehen, dass auch bei Abheilung der Hautveränderungen die grundlegende Atopie bestehen bleibt. Die Haut bleibt empfindlich und bedarf lebenslanger Pflege.

Fazit

Die atopische Dermatitis ist eine komplexe, multifaktorielle Erkrankung, die das Zusammenspiel von genetischen Faktoren, Umwelteinflüssen und Immunsystem widerspiegelt. Das Verständnis der zugrundeliegenden Pathophysiologie – von der gestörten Hautbarriere über die komplexe Immunreaktion bis hin zur veränderten Mikrobiota – ist essentiell für eine erfolgreiche Behandlung.

Die moderne Therapie hat sich von einer rein symptomatischen Behandlung zu einem gezielten, mechanismusbasierten Ansatz entwickelt. Dies eröffnet neue Hoffnungen für Patienten, die bisher nur unzureichend auf konventionelle Therapien angesprochen haben.

Für Betroffene ist es wichtig zu verstehen, dass die atopische Dermatitis eine chronische Erkrankung ist, die ein langfristiges Management erfordert. Mit den richtigen therapeutischen Ansätzen und konsequenter Hautpflege lässt sich jedoch in den meisten Fällen eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität erreichen.

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